Info-Material zum Thema

Zwangsheirat

Verbrechen im Namen der "Ehre", wozu auch die Zwangsverheiratung von MigrantInnen gehört, werden zunehmend in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Das Ausmaß von Zwangsverheiratungen ist allerdings unklar. Aussagekräftige Studien mit konkreten Zahlen liegen weder für Deutschland noch für NRW vor. Eine solche Stu-die ist dringend erforderlich.

Zwangsverheiratungen kommen auf unterschiedliche Weise zustande. Zum einen gibt es die so genannte "Heiratsverschleppung", bei der MigrantInnen, die in Deutschland leben, zum Zweck einer Zwangsehe ins Ausland gebracht werden. Zum anderen werden (meist) Frauen im Ausland zwangsverheiratet und anschließend im Rahmen des "Familiennachzugs" nach Deutschland geholt. Als dritte Möglichkeit können junge Frauen und Männer auch gezwungen werden, in Deutschland eine Zwangsehe einzugehen.

Schwierig ist die Abgrenzung zwischen arrangierter Ehe und Zwangsehe. Der Übergang ist oft fließend. Wird z.B. einer arrangierten Ehe zugestimmt und kommen dann nach der Verlobung Zweifel auf, dann kann der Druck, die Ehe zu vollziehen, so groß werden, dass aus einer ursprünglich arrangierten Ehe eine Zwangsehe wird.

Zwangsverheiratung ist kein religiöses Phänomen, sondern Element einer traditionell-patriarchalischen Gesellschaft. Sie findet nicht nur in islamischen Familien statt, sondern auch in christlichen und buddhistisch-hinduistischen Familien, wie z.B. in Griechenland, Süditalien oder Sri Lanka.

Die Betroffenen werden von ihrer Familie oder ihrem zukünftigen Partner durch physische Gewalt, Drohungen, Einsperren, sexuelle Gewalt oder sozialen und emotiona-len Druck zur Ehe gezwungen. Aus Angst vor einem Bruch mit der Familie und daraus resultierender Isolation und Einsamkeit beugen sie sich häufig dem Druck, auch um die "Ehre" der Familie zu erhalten. Sie leiden oft unter Depressionen, Angst-, Ess-, oder Persönlichkeitsstörungen.

Zwangsheirat wurde auf der UN-Weltfrauenkonferenz im Jahr 2000 in Peking erst-mals international als eine Form der Gewalt gegen Frauen verurteilt und als Menschenrechtsverletzung anerkannt. Auch für uns Grüne ist klar: Wo Gewalt und Un-gleichbehandlung anfangen, endet jede kulturelle Toleranz!

Die ehemalige rotgrüne Bundesregierung verabschiedete im Oktober 2004 ein Ge-setz zur Strafrechtsänderung, in dem Zwangsheirat durch eine Änderung des § 240 Abs. 4 als besonders schwerer Fall von Nötigung eingestuft und ein Strafmaß von 6 Monaten bis zu 5 Jahren vorgesehen ist.

Für die grüne Landtagsfraktion ist das Thema Zwangsverheiratung bereits seit ge-raumer Zeit ein Arbeitsschwerpunkt. In Anlehnung an die Kampagne von Terre des Femmes "Stoppt Zwangsheirat" von 2002/2003 (http://www.frauenrechte.de) stellte

- 2 -

die Ute Koczy, MdL, Anfang 2004 eine Kleine Anfrage (Drucksache 13/5142). Sie wollte wissen, wie viele Fälle von Zwangsverheiratungen in NRW der Landesregie-rung bekannt sind, welche Beratungsstellen es gibt, wie häufig diese aufgesucht werden und wie die Öffentlichkeit für das Thema sensibilisiert werden soll. Im No-vember 2004 folgte ein rotgrüner Entschließungsantrag, der die Landesregierung aufforderte ein umfassendes Handlungskonzept zum Thema Zwangsheirat zu entwi-ckeln und die notwendigen Maßnahmen mit AkteurInnen in Bund und Kommunen zu beraten und abzustimmen.

Daran schloss sich Anfang 2005 eine Anhörung zum Thema Zwangsheirat im Frau-enausschuss (siehe Anlagen) an. Grundlage dafür waren zahlreiche schriftliche Stel-lungnahmen von Sachverständigen von Terre des Femmes, agisra, Papatya und an-deren Einrichtungen, Professoren und VertreterInnen vom Bundes- und vom Justiz-ministerium (siehe Anlagen).

Aufgrund eines "Verfahrenstricks" seitens der CDU wurde das Thema dann aller-dings von der Agenda genommen und nicht weiter im Frauenausschuss behandelt.

In der jetzigen Legislaturperiode, am 13.09.2005, haben die Grünen erneut einen sehr umfangreichen Antrag in den Landtag eingebracht (siehe Anlage), welcher in-haltlich auf einem Beschluss der grünen Bundestagsfraktion fußt und insbesondere weit reichende aufenthaltsrechtliche Änderungen fordert. Insgesamt fordern wir darin einen Aktionsplan, der umfassenden Schutz für MigrantInnen bietet, die von häusli-cher Gewalt, Zwangsehen und Ehrverbrechen bedroht oder betroffen sind.

Derzeit beschäftigt sich der Frauenausschuss des Landtages also wieder mit dem Thema Zwangsheirat. Angekündigt ist ein gemeinsamer überfraktioneller Beschluss.

Wir sind in der Zwischenzeit nicht untätig geblieben und haben einen Info-Flyer für Mädchen erstellt "Du entscheidest, wen und wann Du heiratest", der bei uns abgefragt werden kann.